Die bußgeldmindernde Wirkung von Compliance-Management-Systemen im Rahmen des § 30 Abs. 1 OWiG

OWiG § 30 Abs. 1

1. Bei der Bemessung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen im Rahmen des § 30 OWiG ist von Bedeutung, ob im Zeitpunkt der Rechtsverletzung ein ausreichend effizientes Compliance-Manage-ment-System installiert war.

2. Im Rahmen der Bußgeldbemessung ebenfalls zu berücksichtigen ist, ob das Unternehmen in Folge der Rechtsverletzung und im Rahmen der Aufklärung bestehende Defizite im Compliance-Manage-ment-System behebt, um entsprechende Verstöße in Zukunft zu erschweren.

BGH, Urteil vom 9.5.2017 – 1 StR 265/16, BeckRS 2017, 114578.

Sachverhalt

In erster Instanz hat das Landgericht den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Tatmehrheit mit Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Gegen die Nebenbeteiligte, ein deutsches Rüstungsunternehmen, bei dem der Angeklagte als leitender Angestellter und Prokurist tätig war, hat das Gericht nach § 30 Abs. 1 OWiG eine Geldbuße in Höhe von EUR 175.000 festgesetzt.

Hintergrund der Verurteilung war eine Bestechungsabrede zwischen der Geschäftsleitung der Nebenbeteiligten und dem griechischen Verteidigungsminister. Im Rahmen dessen kam es zu Provisionszahlungen, die der Angeklagte im Nachhinein nicht in seiner Einkommenssteuererklärung angab und seitens der Nebenbeteiligten nicht als Betriebsausgaben deklariert wurden. Gegen die Entscheidung des Landgerichts legten sowohl der Angeklagte als auch die Nebenbeteiligte und die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Entscheidung

Mit Urteil vom 9.5.2017 verwarf der BGH die Revision des Angeklagten und der Nebenbeteiligten. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin hob der BGH die gegen die Nebenbeteiligte verhängte Geldbuße auf. Hierzu stellte der BGH zunächst die Grundsätze der Bemessung einer Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen gem. § 30 OWiG dar. Der BGH wies zudem darauf hin, dass bei der Bemessung einer Geldbuße neben den §§ 30 Abs. 3 und 17 Abs. 4 S. 1 OWiG auch von Bedeutung sei, „inwieweit die Nebenbeteiligte ihrer Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt, und ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss.“ (Zitat Rz. 118 der Entscheidung) Hierbei sei auch zu berücksichtigen, inwieweit die Nebenbeteiligte in der Folge des Ordnungswidrigkeitenverfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet, „dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden.“ (Zitat Rz. 118 des Urteils)  

Praxisfolgen

Die vorliegende Entscheidung des BGH zeigt ein weiteres Mal auf, welche Bedeutung einem funktionierenden Compliance-System in der Praxis für die unmittelbar handelnde Person in straf- und bußgeldrechtlicher Hinsicht und für das Unternehmen in bußgeldrechtlicher Hinsicht zukommt. Eine ordnungsgemäße Compliance-Funktion im Unternehmen dient der Vorbeugung von potentiellen Normverstößen und bietet gleichzeitig eine diesbezügliche Exkulpationsmöglichkeit in Straf- und Bußgeldverfahren. Der Vorsitzende Richter des hiesigen Strafsenats des BGH, Herr Dr. Rolf Raum führt in Hastenrath, Compliance-Kommunikation zum Bußgeldrahmen des § 130 Abs. 3 OWiG entsprechend aus, dass bei einem fahrlässigen Verstoß der Aufsichtspflichtige, welcher sich mit der Etablierung eines Compliance-Systems befasst hat, selbst dann milder zu ahnden ist, wenn dieses zur Verhinderung des Verstoßes nicht ausreichend war. Der Grund hierfür liege in der zwingenden Reduktion des individuellen Maßes der Vorwerfbarkeit und Schuld. Umgekehrt komme dem Fehlen eines Compliance-Systems in Bezug auf den Compliance-Verantwortlichen eine erheblich strafschärfende Wir-kung zu.

Mit Blick auf die vorliegende Entscheidung, das erste obiter dictum des BGH zur strafbewehrten Garantenstellung des Compliance-Officers (BGH-Urteil v. 17.7.2009, Az.: 5 StR 394/08) und das Neubürger-Urteil des LG München I (LG München I, Urteil v. 10.12.2013, Az.: 5 HKO 1387/10) empfehlen wir jedem Unternehmen die Etablierung eines Compliance-Management-Systems. Ein Gerüst zur Herangehensweise bietet hierbei der Prüfungsstandard 980 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW PS 980); dieser sollte aber auf das individuelle Unternehmen zugeschnitten und auch ordnungsgemäß implementiert werden.

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