Berechnung der Urlaubstage bei unterjähriger Veränderung der Arbeitszeit – Zickzackkurs der Rechtsprechung

Hintergrund
Es ist gesetzlich nicht geregelt, welche Auswirkungen eine unterjährige Änderung der Arbeitszeit auf den Urlaubsanspruch hat. Nach der ursprünglichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) war bei einer Änderung der Arbeitszeit auf weniger oder mehr Arbeitstage einer Kalenderwoche die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs entsprechend zu kürzen. Auf diese Weise werde gewährleistet, dass jeder Arbeitnehmer am Jahresende die gleiche Anzahl von arbeitsfreien Wochen habe.

Diese Umrechnung kann jedoch dazu führen, dass Teilzeitarbeitnehmer ein geringeres Urlaubsentgelt im Verhältnis zum Umfang ihrer vor der Teilzeit geleisteten Arbeit erhalten als Vollzeitarbeitnehmer. Aufgrund dessen entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass bei einer Veränderung der Arbeitszeit, wie dem Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung der Anspruch auf Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer in der Zeit der Vollbeschäftigung erworben hat, nicht gemindert werden darf. Der Urlaubsanspruch bei einer Veränderung des Arbeitsumfangs ist vielmehr grundsätzlich für jeden Zeitraum getrennt zu berechnen. Dem hat sich das BAG zunächst angeschlossen und entschieden, dass eine Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit die Anzahl der während einer Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubstage nicht mindern dürfe.

In der nunmehr vorliegenden Entscheidung vom 14. März 2017 hat das BAG jedoch für tariflichen, übergesetzlichen Urlaub entschieden, dass dieser bei einer Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht zeitanteilig zu berechnen ist. Maßgeblich für die Berechnung des Urlaubsanspruchs ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub gewährt.

Sachverhalt
Die Parteien stritten über der Klägerin nach einer arbeitszeitlichen Veränderung, in deren Folge die Klägerin nicht mehr in einer Vier-, sondern in einer Fünftagewoche arbeitete, zustehende Anzahl von Urlaubstagen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung. Nach der maßgeblichen tariflichen Regelung beträgt der Urlaub für die Klägerin bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche 30 Arbeitstage in jedem Kalenderjahr. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt.

Die Arbeitszeit der Klägerin betrug zunächst 32 Stunden, verteilt auf vier Wochentage. Seit dem 19. August 2013 arbeitete die Klägerin, deren wöchentliche Regelarbeitszeit nunmehr 23,5 Stunden betrug, an fünf Wochentagen.

Unter Berücksichtigung von drei aus dem Jahr 2012 übertragenen Urlaubstagen gewährte die Beklagte der Klägerin bis zur Änderung des Beschäftigungsumfangs ab dem 19. August 2013 26 Urlaubstage, danach im Dezember 2013 noch einen Urlaubstag. Die Klägerin forderte die Beklagte erfolglos auf, ihr zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ungeachtet des aus dem Jahr 2012 übertragenen Urlaubs habe sie im Jahr 2013 einen Anspruch auf 26 Urlaubstage erworben, da die tarifvertragliche Vorschrift eine Berechnung nach Zeitabschnitten verlange. Unter Berücksichtigung des bereits gewährten Urlaubes habe sie daher noch einen Resturlaubsanspruch für das Jahr 2013 von weiteren zwei Tagen.

Die Beklagte war der Ansicht, sie habe den Urlaubsanspruch der Klägerin erfüllt. Ungeachtet des Resturlaubsanspruchs aus dem Jahr 2012 habe der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2013 lediglich 24 Arbeitstage betragen. Nach Abzug der bis zum 18. August 2013 bereits gewährten Urlaubstage habe der Resturlaubsanspruch nur noch einen Urlaubstag umfasst. Nach dem Wechsel der Klägerin in die Fünftagewoche habe sich dieser Resturlaubsanspruch dem Verhältnis von vier zu fünf Wochenarbeitstagen entsprechend um ein Viertel auf 1,25 Tage erhöht. Dieser Bruchteil bleibe jedoch nach der tariflichen Vorschrift unberücksichtigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.

Entscheidung
Die Revision vor dem BAG hatte Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin wurde abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin im Jahr 2013 an insgesamt 27 Arbeitstagen Urlaub gewährt und damit sowohl den aus dem Jahr 2012 übertragenen als auch den aus dem Jahr 2013 stammenden Urlaubsanspruch der Klägerin erfüllt.

Zu Beginn des Jahres 2013 erwarb die Klägerin einen Urlaubsanspruch im Umfang von 24 Arbeitstagen. Dies entsprach dem Verhältnis der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt an vier Arbeitstagen in der Kalenderwoche arbeitete, zu der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage eines Arbeitnehmers, dessen wöchentliche Arbeitszeit sich - dem tariflichen Regelfall gemäß - auf fünf Tage in der Kalenderwoche verteilte.
Die arbeitszeitliche Veränderung, in deren Folge die Klägerin ab dem 19. August 2013 nicht mehr in einer Vier-, sondern in einer Fünftagewoche arbeitete, hat nicht dazu geführt, dass die Klägerin einen Anspruch auf zwei weitere Urlaubstage erworben hat. Im Falle eines unterjährigen Wechsels der Arbeitszeitverteilung kann die tarifliche Regelung nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass der kalenderjährig bestimmte Urlaubsanspruch in Zeitabschnitte fragmentiert und damit als Summe mehrerer (Teil-)Urlaubsansprüche zu berechnen ist.

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der tariflichen Vorschrift. Darüber hinaus ist es nach Ansicht des BAG Sinn und Zweck der tariflich angeordneten Umrechnung des Urlaubsanspruchs, die Gleichwertigkeit der Urlaubsdauer unabhängig von der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage sicherzustellen. Danach ist unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Anzahl der Wochenarbeitstage die Anzahl der Urlaubstage zu ermitteln, die zur gleichen Dauer eines zusammenhängenden gleichwertigen Urlaubs erforderlich ist.

Der für die Berechnung maßgebliche Zeitpunkt ist dabei der, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub gewährt.
Ändert sich die Anzahl der wöchentlichen Tage mit Arbeitspflicht, bevor der Arbeitnehmer den gesamten Urlaub in Anspruch genommen hat, ist der verbleibende Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung des bereits vom Arbeitgeber gewährten Urlaubs wie folgt zu berechnen: Die Anzahl der zum Zeitpunkt des Wechsels noch nicht genommenen Urlaubstage wird mit dem Quotienten multipliziert, der sich aus der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem neuen Arbeitszeitregime (Divident) und der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem alten Arbeitszeitregime (Divisor) ergibt.

Im Streitfall gewährte die Beklagte der Klägerin vor dem 19. August 2013 26 Urlaubstage. Der verbleibende eine Urlaubstag war mit dem Faktor 5/4 zu multiplizieren, da die Klägerin bis zum 18. August 2013 in der Vier- und danach in der Fünftagewoche arbeitete. Der hochgerechnete Urlaubsanspruch belief sich demnach auf 1,25 Arbeitstage. Davon blieb der Bruchteil (0,25 Arbeitstage) nach der tariflichen Vorschrift unberücksichtigt, sodass die Klägerin nach dem Wechsel in die Fünftagewoche noch einen Urlaubstag beanspruchen konnte, welchen die Beklagte im Dezember 2013 erfüllte.

Praxishinweis
Bei der Berechnung von Urlaubsansprüchen nach einer Veränderung der Arbeitszeit ist Obacht geboten.

Bei einem Wechsel von einer Voll- in Teilzeittätigkeit sollten Urlaubsansprüche möglichst noch während der Vollzeitphase gewähren werden und gegebenenfalls vertraglich in Bezug auf den übergesetzlichen Mehrurlaub eine ratierliche Kürzung ausdrücklich geregelt werden.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG ist bei einem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit die Kürzung des während der Vollzeittätigkeit erworbenen gesetzlichen Mindesturlaubs nicht zulässig. Für die Berechnung des verbleibenden übergesetzlichen Urlaubs ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Urlaubsgewährung maßgeblich.
Hat ein Arbeitnehmer in der Fünftagewoche Anspruch auf 30 Urlaubstage im Kalenderjahr und fällt der gesamte Jahresurlaub in einen Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung an vier Werktagen in der Woche erbringt, erfüllt der Arbeitgeber seine Pflicht zur Urlaubsgewährung, wenn er den Arbeitnehmer an 24 Arbeitstagen von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt, sodass die Gesamtdauer des Urlaubs sechs Wochen beträgt.

Hat der Arbeitgeber den dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubsanspruch jedoch zum Zeitpunkt der Änderung der Anzahl der Arbeitstage noch nicht erfüllt, ist der verbleibende Urlaubsanspruch nach folgender Formel zu berechnen: Die Anzahl der zum Zeitpunkt des Wechsels noch nicht genommenen Urlaubstage wird mit dem Quotienten multipliziert, der sich aus der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem neuen Arbeitszeitregime (Divident) und der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem alten Arbeitszeitregime (Divisor) ergibt.

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