BGH: Abberufung eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund und abstimmungserhebliche Stimmverbote

GmbHG §§ 38, 47

  1. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, die die Abberufung oder die Kündigung des Anstellungsvertrags­ ­eines Gesellschafter-Geschäfts­führers einer GmbH aus wichtigem Grund betreffen, ist darauf abzustellen, ob tatsächlich ein wichtiger Grund im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorlag oder nicht.
  2. Das Vorliegen des wichtigen Grunds hat im Rechtsstreit derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich darauf beruft.

BGH, Urteil vom 4.4.2017 – II ZR 77/16 (OLG Jena), BeckRS 2017, 110415

Sachverhalt

An der beklagten GmbH ist der Kläger als Gesellschafter mit 49% und ein weiterer Gesellschafter mit 51% beteiligt; letzterer ist zugleich Alleingeschäftsführer. Der Kläger lud zu einer Gesellschafterversammlung ein und beantragte u.a. die sofortige Abberufung des Geschäftsführers sowie die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund. Der Kläger stimmte für die Beschlussanträge, der Geschäftsführer dagegen und stellte dementsprechend in seiner Funktion als Versammlungsleiter deren Ablehnung fest. Der Kläger focht daraufhin die ablehnenden Beschlussanträge mit der Begründung an, der Gesellschafter-Geschäftsführer habe einem Stimmverbot unterlegen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen sowie die Berufung zurückgewiesen. Dem folgt auch der BGH. 

Entscheidung

Der BGH stellt in seiner Entscheidung fest, dass ein geschäftsführender Gesellschafter bei der Abstimmung über die Abberufung und Kündigung seines Anstellungsvertrags - beides aus wichtigem Grund - grundsätzlich einem Stimmverbot unterliegt. Dies wird damit begründet, dass ein in seiner eigenen Person liegender, als wichtiger Grund qualifizierbarer Sachverhalt zur Abstimmung gestellt werde und der Geschäftsführer nicht zum „Richter in eigener Sache“ werden solle. Im Einzelnen streitig war bislang die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solches Stimmverbot bestehen soll: Bereits unmittelbar dann, wenn die Entscheidung über die Abberufung oder Kündigung getroffen werden soll? Oder erst, sobald ein wichtiger Grund substantiiert bzw. schlüssig oder nachvollziehbar behauptet wird? Oder, noch weitgehender, nur dann, wenn ein wichtiger Grund im Zeitpunkt der Beschlussfassung tatsächlich objektiv vorliegt?

Der letzten Auffassung hat sich nunmehr der BGH angeschlossen und bejaht ein Stimmverbot für Gesellschafterbeschlüsse über die Abberufung und die Kündigung des Anstellungsvertrages des Gesellschafter-Geschäftsführers erst dann, wenn ein tatsächlich wichtiger Grund objektiv gegeben ist. Steht ein abstimmungserhebliches Stimmverbot in Frage, kommt es somit im Rechtsstreit allein auf das tatsächliche Vorliegen des wichtigen Grunds im Zeitpunkt der Beschlussfassung an. Bei einer Beschlussfassung über die gewöhnliche Abberufung oder über die ordentliche Kündigung des Ausstellungsvertrags soll das Stimmverbot nicht gelten.  

Der BGH befürwortet folglich eine materielle Prüfung des wichtigen Grunds durch den Versammlungsleiter. Ein wichtiger Grund sowohl für die Abberufung als auch für die Kündigung soll immer dann vorliegen, wenn die weitere Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft, insbesondere aufgrund grober Pflichtverletzungen, unzumutbar geworden ist.    

Praxisfolgen

Die vorliegende Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Der nunmehr entschiedene Meinungsstreit war vielfach Diskussionspunkt streitiger Gesellschafterversammlungen, bei denen immer die Gefahr bestand, dass eine bloße Behauptung des wichtigen Grunds ausreichte, um das Stimmrecht des Gesellschafter-Geschäftsführers zu beseitigen. Mit dem nunmehr vom BGH eingeschlagenen Weg verlangt er die materielle Prüfung des wichtigen Grunds durch den Versammlungsleiter, um einen wirksamen Gesellschafterbeschluss herbeiführen zu können. Darüber hinaus ist gewährleistet, dass das Vorliegen des wichtigen Grunds richterlich überprüft wird und dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein gewisser Grad an Rechtssicherheit und Rechtsschutz geboten wird. In der Praxis darf der Versammlungsleiter Gesellschafter folglich nicht (mehr) mit dem formalen Argument von der Abstimmung ausschließen, dass über ihre Abberufung aus wichtigem Grund abgestimmt werden soll. Entsprechend entfallen solche rein formalen Argumente nunmehr auch im Anfechtungsstreit.   

Derjenige, der die Abberufung und die Kündigung des Anstellungsvertrags ­­­des Gesellschafter-Geschäfts­führers verlangt, muss seinerseits besonderes Augenmerk auf die substantiierte Darlegung und den Beweis des wichtigen Grunds legen. Eine schlüssige Behauptung ist nicht ausreichend.

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