Handlungsbedarf bei der Regelung von Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag II -§ 309 Nr. 13 BGB gilt in neuer Fassung ab dem 1. Oktober 2016

Verwendet der Arbeitgeber Vertragsmuster, gelten diese regelmäßig als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Arbeitnehmer gilt dabei als Verbraucher. Aus diesem Grund müssen Arbeitgeber die Regelungen der §§ 305 ff. BGB zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB. § 309 Nr. 13 BGB verbietet Klauseln, die für eine Anzeige oder eine Erklärung des Verbrauchers eine strengere Form als die Schriftform vorsehen. Auch die gängigen Verfallklauseln in Arbeitsverträgen sehen vor, dass Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten schriftlich geltend gemacht werden.

Ab dem 1. Oktober 2016 gilt die Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB. Danach darf in Klauseln für Anzeigen oder Erklärungen des Verbrauchers keine strengere Form als die Textform im Sinne des § 126b BGB vereinbart werden. Das heißt, dass ein Verbraucher seine Anzeigen und Erklärungen künftig auch per E-Mail, per Fax oder per Computerfax abgeben darf.

Handlungsbedarf für ab dem 1. Oktober 2016 geschlossene Verträge

Arbeitsvertragsmuster sollten angepasst werden, so dass die darin enthaltenen Klauseln mit Schriftformerfordernissen für den Arbeitnehmer künftig nur noch die Einhaltung der Textform vorsehen.

Für welche üblicherweise in Arbeitsverträgen geregelten Schriftformerfordernisse ist die Regelung des § 309 Nr. 13 BGB relevant?

•        Verfallklauseln: Verfallklauseln sind meist zweistufig aufgebaut. Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist (mindestens drei Monate; vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.01.2016,  5 AZR 277/14, NZA 2016, 679-681) nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Dabei wird in Standardverfallklauseln regelmäßig Schriftform verlangt. Diese Schriftformerfordernisse müssen (zumindest für die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Arbeitnehmer) nun in Textformerfordernisse umgeändert werden. Allerdings dürfte eine Verfallklausel, die die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen verlangt, nicht lediglich deswegen vollständig unwirksam sein. Denn die Verfallklausel ist auch ohne das Schriftformerfordernis eine sinnvolle, verständliche Klausel (vgl. zum sogenannten blue pencil test: BAG, Urteil vom 12.03.2008, 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699-701).

•        Kündigung: Bestimmt der Arbeitsvertrag, dass eine Kündigung schriftlich erfolgen muss, ist dies auch weiterhin zulässig, da Kündigungen des Arbeitsverhältnisses gem. § 623 BGB zwingend schriftlich zu erfolgen haben (vgl. auch § 307 Abs. 3 S. 1 BGB).

•        Schriftformklausel für Vertragsänderungen: § 309 Nr. 13 BGB hat für Klauseln, die die Schriftform bei Vertragsänderungen vorsehen, keine Auswirkungen. Vertragsänderungen können nicht durch einseitige Anzeigen oder Erklärungen des Arbeitnehmers erfolgen. Zu beachten ist bei Schriftformklauseln aber der Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB, weshalb die sogenannten doppelten Schriftformklauseln unwirksam sind (BAG, Urteil vom 20. Mai 2008 – 9 AZR 382/07 –, BAGE 126, 364-374).

•        Schriftform für Erklärungen des Arbeitgebers: Arbeitsverträge sehen häufig vor, dass der Arbeitnehmer Nebentätigkeiten nur dann aufnehmen oder Veröffentlichungen von Fachbeiträgen nur dann vornehmen darf, wenn der Arbeitgeber schriftlich zustimmt. Auch für solche Schriftformklauseln hat § 309 Nr. 13 BGB keine Auswirkungen, da sich die Norm nur auf Anzeigen und Erklärungen des Arbeitnehmers bezieht.

•        Krankmeldung: Gelegentlich sehen Arbeitsverträge vor, dass Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ihre Arbeitsunfähigkeit schriftlich anzuzeigen haben. Solche Schriftformerfordernisse sind durch Textformerfordernis zu ersetzen. Aber auch hier dürfte die Klausel selbst bei Beibehaltung des Schriftformerfordernisses nicht insgesamt unwirksam sein (BAG, Urteil vom 12.03.2008, 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699-701).    

Handlungsbedarf für vor dem 1. Oktober 2016 geschlossene Verträge

Für vor dem 1. Oktober 2016 geschlossene Verträge besteht kein Handlungsbedarf. Die vor dem 1. Oktober 2016 vereinbarten Schriftformerfordernisse in Arbeitsverträgen (und damit im vermutlichen wichtigsten Anwendungsfall der Verfallklauseln) bleiben wirksam. Dies ergibt sich aus der Übergangsregelung in Art. 229 § 37 EGBGB, wonach die Änderungen des § 309 Nr. 13 BGB nur für Schuldverhältnisse, die nach dem 30. September 2016 entstehen, gelten.

Allerdings ist zu beachten, dass für einen Großteil der Altverträge nach der im Beitrag „Handlungsbedarf bei der Regelung von Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag I – Mindestentgelt“ besprochenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2016 (5 AZR 703/15) die Änderung der Verfallklauseln erforderlich sein dürfte und Mindestentgeltansprüche ausdrücklich vom Verfall auszunehmen sind, um nicht die vollständige Unwirksamkeit der Verfallklausel zu riskieren. 

Muss die Verfallklausel geändert werden, wenn der Altvertrag geändert wird? Nach dem Wortlaut der Übergangsregelung nicht. Denn diese legt fest, dass nur dann, wenn das Schuldverhältnis nach dem 30. September 2016 neu entsteht, auch der neue § 309 Nr. 13 BGB gilt. Eine Vertragsänderung lässt aber kein neues Schuldverhältnis entstehen. Allerdings urteilte das Bundesarbeitsgerichts am 18.11.2009 (4 AZR 514/08, BAGE 132, 261-267), dass Altverträge auch bei nur geringfügigen Änderungen als Neuverträge gelten. Die Entscheidung betraf die Anwendbarkeit des seit dem 1. Januar 2002 geltenden neuen AGB-Rechts. Wurde ein bis zum 30. Dezember 2001 geschlossener Arbeitsvertrag später auch nur in kleinen Teilen geändert, unterlag er insgesamt dem neuen AGB-Recht. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung, ob diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Grundsatz nach – trotz des eigentlich klaren Wortlauts des Art. 229 § 37 EGBGB – auch im Zusammenhang mit § 309 Nr. 13 BGB anzuwenden ist, sollten Verfallklauseln vorsorglich angepasst werden, wenn ein Altvertrag geändert wird.

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