Die EU-Whistleblowing-Richtlinie

Die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (die „Whistleblowing-Richtlinie“), musste von allen EU-Mitgliedstaaten bis spätestens 17. Dezember 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Bis Ende August 2022 hatten nur zehn der 27 EU-Mitgliedstaaten Umsetzungsvorschriften erlassen: Der Weg zur EU-weiten Umsetzung der Richtlinie ist also noch weit.

Die Whistleblowing-Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zur Umsetzung von Rechtsvorschriften, die alle Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmer:innen dazu verpflichten, (i) geeignete Meldekanäle einzurichten, die es Arbeitnehmer:innen ermöglichen, Verstöße gegen das Unionsrecht zu melden und (ii) sicherzustellen, dass Hinweisgeber:innen, rechtlich vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt sind.

Die Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen interne Meldekanäle einzurichten haben, bei denen die Vertraulichkeit des/der Hinweisgebers:in gewährleistet ist und verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten selbst externe Meldekanäle einzurichten. Von diesem Schutz sollen Personen umfasst sein, die Verstößen gegen die in der Whistleblowing-Richtlinie genannten Bereiche des EU-Rechts melden (u. a. öffentliches Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, -produkte und -märkte sowie Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Umweltschutz, Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netzwerken und Informationssystemen). Die Mitgliedstaaten können jedoch – sofern gewünscht – auch Schutzmaßnahmen für Personen vorsehen, die in anderen Bereichen Verstöße melden. Es ist zu erwarten, dass die nationalen Gesetze der EU-Mitgliedsstaaten sich darin unterscheiden werden, welche Verstöße von den nationalen Rechtsvorschriften abgedeckt sind und einige EU-Mitgliedstaaten werden restriktiver sein als andere. In Dänemark beispielsweise fallen Personen, die "schwere Vergehen und andere schwerwiegende Ereignisse" melden, unter die nationalen Rechtsvorschriften für Hinweisgeber:innen; letztlich wird es Aufgabe der Gerichte sein, die Grenzen dieser weit gefassten Formulierung zu konkretisieren. In der Zwischenzeit werden Unternehmen gezwungen sein selbst entscheiden zu müssen, wie sie etwaige rechtliche Unsicherheiten am besten in ihren internen Meldeverfahren berücksichtigen. Multinationale Unternehmen werden die Umsetzung in allen 27 EU-Mitgliedstaaten beobachten und prüfen müssen, ob und wie ein einheitlicher Ansatz für die Meldung von Verstößen in ihren Betrieben in der EU umsetzbar ist.

Von besonderer Relevanz wird dabei insbesondere für größere Arbeitgeber:innen mit Niederlassungen in der gesamten EU die Frage sein, wie sie der Anforderung der Richtlinie genüge tragen können, dass jede juristische Person mit 50 oder mehr Arbeitnehmer:innen über eigene Meldekanäle und eigene Meldeverfahren verfügen muss. Die Europäische Kommission hat angedeutet, dass dieser Anforderung nicht genügt wird, wenn ein Rückgriff auf ein zentrales Compliance-Team innerhalb des Mutterunternehmens zur Bearbeitung aller Meldungen von Hinweisgeber:innen erfolgt (gleichwohl eine Ausnahmeregelung besteht, nach der es Unternehmen mit 50 bis 249 Arbeitnehmer:innen gestattet ist, Ressourcen untereinander zu teilen). Der dänische Gesetzgeber hat in seinem Umsetzungsgesetz eine Bestimmung aufgenommen, die es Unternehmen erlaubt, ein zentralisiertes Melde- und Verfahrenssystem zu verwenden, bis geklärt ist, ob dieser Ansatz mit der Whistleblowing-Richtlinie vereinbar ist oder nicht. Im Gegensatz hierzu folgen in anderen EU-Mitgliedsstaaten veröffentlichte Gesetzesentwürfe im Wesentlichen dem Wortlaut der Richtlinie.

Bereits seit längerem bestehen Leitlinien der Datenschutzbehörden, in denen betont wird, dass ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz von Hinweisgeber:innen und der Notwendigkeit sichergestellt werden muss, dass Melde-Systeme nicht zur Sammlung unpräziser und potenziell schädlicher Daten über gemeldete Personen, führen. Ein solches Risiko besteht insbesondere dann, wenn Meldesysteme zu anonymen Meldungen ermutigen. Dieses Risiko muss von Unternehmen berücksichtigt werden, die Meldekanäle einrichten. Darüber hinaus müssen bestehende Meldekanäle und Meldeverfahren aktualisiert und in rechtskonformer Weise (neu) eingeführt werden (unter Berücksichtigung von lokalen Beteiligungsrechten von Betriebsräten/Gewerkschaften/anderen Mitarbeiterorganisationen), so dass die Personal- und Rechtsabteilungen eng zusammenarbeiten müssen, um die Einhaltung der Whistleblowing-Richtlinie zu gewährleisten.

Unter Berücksichtigung der in einigen EU-Mitgliedsstaaten bereits umgesetzten lokalen Vorschriften, sollten internationale Unternehmen (insbesondere solche, die in zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten tätig sind und bei denen zu erwarten ist, dass die Änderung bestehender und anschließender Übersetzung interner Vorgaben einige Zeit in Anspruch nehmen wird):

  • ihre Geschäftskodexe und ihre Meldeverfahren überprüfen, einschließlich bestehender Whistleblower-Hotlines, um die Einhaltung der Whistleblowing-Richtlinie sowie die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung zu gewährleisten; und
  • interne Whistleblowing-Vorgaben einzuführen (oder bestehende Vorgaben anpassen, um sicherzustellen, dass sie den neusten Rechtsvorschriften genüge tragen) und die zuständigen Arbeitnehmervertretungen über die Umsetzung in den Ländern, in denen dies erforderlich ist, zu informieren bzw. deren Zustimmung einzuholen.

Die wichtigsten Bereiche, die es zu berücksichtigen gilt, sind:

  • die Bearbeitung von Meldungen durch zuständige Personen unter Einhaltung von vorgeschriebenen Fristen mit angemessener Sorgfalt und Vertraulichkeit;
  • die Weitergabe der erforderlichen Informationen an den/die Hinweisgeber:in und die gemeldete Person;
  • Erstellung von Leitlinien und Durchführung von Schulungen, die darauf abzielen, dass keine Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden; und
  • Festsetzung angemessener Aufbewahrungsfristen für Meldungen und damit zusammenhängender Daten.

Damit Unternehmen einen reibungslosen Übergang gewährleisten können, haben wir diesen Tracker erstellt, der zeigt:

  • in welchem Stadium sich die einzelnen Länder bei der Umsetzung befinden; und
  • wie einige der wesentlichsten Themen der Whistleblowing-Richtlinie in den lokalen Umsetzungsvorschriften behandelt werden (sofern diese Informationen verfügbar sind).

Wenn Sie Fragen haben oder Unterstützung bei Ihrer Compliance-Planung benötigen, wenden Sie sich bitte an Dr. Catharina Klumpp, LL.M., Dr. Barbara Geck und Lennart Schüßler

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Key

 Status
  Gesetz verabschiedet / Richtlinie umgesetzt
  Umsetzung des Gesetzes in Bearbeitung
  Es wurden keine Schritte zur Umsetzung der Richtlinie unternommen

 

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