Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG): Ein neues Zeitalter für Wertpapierfirmen – Q&A Teil 2

Nach einem kurzen Einstieg in den regulatorischen Rahmen des WpIG, wird im folgenden Teil auf die Anforderungen für Wertpapierinstitute eingegangen.


5. Was sind die Unterschiede zwischen kleinen, mittleren und großen Wertpapierinstituten?

Die Regelungen des WpIG sind so angelegt, dass die Intensität der Beaufsichtigung durch die BaFin proportional zur Größe der Wertpapierinstitute ausgestaltet ist. Das WpIG unterscheidet hierbei zwischen kleinen, mittleren und großen Wertpapierinstituten.

Ein kleines Wertpapierinstitut profitiert von zahlreichen gesetzlichen Erleichterungen und liegt nach § 2 Abs. 16 WpIG iVm Art. 12 Abs. 1 IFR vor, wenn alle nachfolgenden Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

  • Der gleitende Durchschnitt des monatlichen Gesamtwerts der verwalteten Vermögenswerte („assets under management“) liegt unter 1,2 Mrd EUR;
  • der gleitende Durchschnitt des täglichen Gesamtwerts der bearbeiteten Kundenaufträge („client orders handled“) liegt unter
    • 100 Mio. EUR/Tag für Kassageschäfte oder
    • 1 Mrd. EUR/Tag für Derivate;
  • der gleitende Durchschnitt des täglichen Gesamtwerts der verwahrten und verwalteten Vermögenswerte („assets safeguarded and administered“) ist gleich null;
  • der gleitende Durchschnitt des täglichen Gesamtwerts der gehaltenen Kundengelder („client money held“) ist gleich null;
  • der gleitende Durchschnitt des Werts des gesamten täglichen Handelsstroms („daily trading flow“) ist gleich null;
  • der Wert der im Handelsbuch einer Wertpapierinstitut geführten Geschäfte („Nettopositionsrisiko“) und der „geleistete Einschuss“ („clearing margin given“), also der Betrag des insgesamt von einem Clearingmitglied oder einer qualifizierten zentralen Gegenpartei geforderten Einschusses, ist gleich null;
  • das „Handelsgegenparteiausfallrisiko“ („trading counterparty default“), also die Risikopositionen im Handelsbuch der Wertpapierfirma, ist gleich null;
  • die bilanzielle und außerbilanzielle Gesamtsumme der Wertpapierfirma beträgt weniger als 100 Mio. EUR; und
  • die jährlichen Bruttogesamteinkünfte aus Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten der Wertpapierfirma betragen weniger als 30 Mio. EUR.

Ein mittleres Wertpapierinstitut, das ohne wesentliche Vereinfachungen dem Anwendungsbereich des WpIG und der IFR unterfällt, liegt vor, wenn eine oder mehrere der Bedingungen für kleine Wertpapierinstitute nicht erfüllt sind. 

Sogenannte große Wertpapierinstitute sind nicht schwerpunktmäßig im WpIG und dem IFR geregelt. Diesbezüglich kommen vielmehr die Regelungen der Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements Directive IV - CRD IV (in Deutschland umgesetzt im KWG)) und der Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation - CRR) zur Anwendung. Prägendes Merkmal der großen Wertpapierinstitute ist ihre erhebliche Bedeutung für die Stabilität des Finanzmarkts. Diese Bedeutung resultiert vor allem aus ihrer Größe und ihrer Verflochtenheit mit anderen Marktteilnehmern und ihres Risikomodells.

Ihre Geschäftsmodelle und Risikoprofile sind mit denen bedeutender Kreditinstitute vergleichbar. Darüber hinaus können große Wertpapierinstitute angesichts ihrer Größe, ihrer Geschäftsmodelle und ihrer Risikoprofile eine Gefahr für das stabile und ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte darstellen. So unterliegen große Wertpapierinstitute nach Maßgabe der IFR den Vorschriften der CRR.

6. Wie ändern sich die Anforderungen an das Anfangskapital?

Die Anforderungen an das Anfangskapital ergeben sich aus einem Zusammenspiel von WpIG und der IFR. Das WpIG regelt die konkrete Höhe des Anfangskapitals. In der IFR wird dazu korrespondierend die genaue Zusammensetzung des Anfangskapitals festgelegt. Abhängig von den betriebenen Geschäften unterscheidet das WpIG drei Kategorien:

a. 750.000 EUR Anfangskapital müssen vorgehalten werden, wenn ein Wertpapierinstitut Eigenhandel, Emissionsgeschäfte oder OTF-Geschäfte betreibt. Diesen Anfangsbetrag haben Wertpapierinstitute auch vorzuhalten, wenn sie Finanzinstrumente verwahren und verwalten.

b. 75.000 EUR Anfangskapital müssen vorgehalten werden, wenn das Wertpapierinstitut Dienstleistungen im Bereich der Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung, Finanzportfolioverwaltung, Anlageberatung oder des Platzierungsgeschäfts erbringt, ohne dabei Eigentum oder Besitz von Kundengeldern zu erlangen.

c. 150.000 EUR Anfangskapital müssen alle übrigen Wertpapierinstitute vorhalten.

7. Was passiert mit den bestehenden Erlaubnissen nach § 32 KWG?

Die Erlaubnispflicht für das Erbringen von Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen richtet sich zukünftig nach § 15 WpIG. Für Wertpapierinstitute, denen bis zum 26. Juni 2021 eine Erlaubnis nach § 32 KWG erteilt wurde, gilt eine Erlaubnis nach § 15 WpIG für jene Geschäfte als erteilt (§ 86 WpIG). Eine erneute Genehmigung muss diesbezüglich also nicht eingeholt werden.

8. Kann ein Wertpapierinstitut weiter seine Erlaubnis in andere EU-Länder passporten?

Ein Wertpapierinstitut kann weiterhin seine Erlaubnis in andere EU-Länder passporten. Dieses Verfahren richtet sich nunmehr nach den §§ 70 bis 72 WpIG für inländische Wertpapierinstitute (Outgoing Passport). Ein im EWR-Ausland ansässiges Institut kann nach den §§ 73 bis 75 WpIG weiterhin in Deutschland tätig sein (Incoming Passport).

9. Was passiert mit dem derzeitigen Passport nach dem KWG?

Nach dem derzeitigen Stand des Gesetzesentwurfs ist bislang keine ausdrückliche Regelung dazu getroffen, ob ein bereits durchlaufenes Passport-Verfahren bei der BaFin wiederholt werden muss. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

10. Muss ein Wertpapierinstitut seine Kundenverträge anpassen?

Bislang sind weder in der IFR noch im WpIG Regelungen enthalten, die eine Anpassung der Verträge zwingend notwendig erscheinen lassen. Bei den Gesetzesänderungen handelt es sich um Aufsichtsrecht, das insoweit keinen direkten Einfluss auf das Zivilrecht hat. Das WpHG bleibt unverändert.

Mit freundlicher Unterstützung von Paul Gerlach (juristischer Mitarbeiter).

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