Die Grenzen tariflicher Regelungsmacht

Die Geltung von Tarifverträgen kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Arbeitsvertragsparteien mit einer Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge verweisen.   

Urteil des BAG vom 13.05.2020 - 4 AZR 489/19 (liegt bisher nur als Pressemitteilung vor)

Das BAG hat entschieden, dass die Tarifvertragsparteien in Tarifverträgen nicht vereinbaren können, dass trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Ansprüche aus einem Tarifvertrag nur dann bestehen sollen, wenn die Arbeitsvertragsparteien den Tarifvertrag durch eine Bezugnahmeklausel individualvertraglich nachvollziehen.

Entsprechende Tarifvertragsklauseln wurden bisher dazu genutzt, um die Arbeitnehmer zum Abschluss neuer Arbeitsverträge zu bewegen und so eine Vereinheitlichung der Arbeitsverträge im Betrieb zu erreichen. Das BAG ist der Ansicht, dass allein die beiderseitige Tarifgebundenheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gem. § 4 Abs. 1 TVG ausreicht, um Ansprüche aus dem Tarifvertrag zu vermitteln. Die Tarifparteien können die Ansprüche nicht von individualvertraglichen Umsetzungsmaßnahmen abhängig machen. Entsprechende Klauseln in Tarifverträgen sind unwirksam.

BAG: Kündigungsschutz bei Schwangerschaft auch vor Tätigkeitsaufnahme 

Urteil des BAG vom 27.02.2020 – 2 AZR 498/19 

Das Kündigungsverbot gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) gilt auch für eine nach Vertragsabschluss, aber vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme erklärte Kündigung des Arbeitgebers.

Dies ergibt sich insbesondere aus dem Normzweck des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuSchG. Die Regelung setzt die europäische Mutterschutzrichtlinie (Artikel 10 der RL 92/85/EWG) um, die den Mitgliedstaaten vorschreibt, Kündigungen von Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs zu verbieten. Zweck der Richtlinie ist der Gesundheits- und Existenzsicherungsschutz von Mutter und Kind. Auch eine Kündigung vor Aufnahme der Tätigkeit kann die Schwangere bzw. die junge Mutter physisch und psychisch belasten. Daher fällt auch eine vor Aufnahme der Tätigkeit ausgesprochene Kündigung in den Schutzbereich des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuSchG. Gleiches ergibt sich aus dem Schutzzweck des MuSchG.

BAG: Informationspflichten – Auch im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge

Urteil des BAG vom 18.2.2020 – 3 AZR 206/18

Arbeitgeber sind nicht allgemein verpflichtet die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer wahrzunehmen. Wenn sie jedoch Auskünfte erteilen, zu denen sie nicht verpflichtet sind, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls haftet der jeweilige Arbeitgeber für Schäden, die Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleiden. Dieser Grundsatz, den das BAG seit vielen Jahren vertritt, gilt auch beim Thema betrieblicher Altersvorsorge.

Eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage zu unterrichten, wenn seine zuvor erteilten Auskünfte unrichtig werden, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände erkennen kann, dass die Richtigkeit der Auskunft auch für die Zukunft Bedeutung hat.

LAG Düsseldorf: Arbeitgeber haftet für geringeres Elterngeld

Urteil des LAG Düsseldorf vom 27.05.2020 – 12 Sa 716/19

Zahlt der Arbeitgeber einer Mitarbeiterin, die sich in Mutterschutz befindet, den monatlichen Bruttolohn verspätet und führt die verspätete Zahlung zu einer niedrigeren Ansetzung des Elterngeldes, ist der Arbeitgeber gegenüber der Arbeitnehmerin zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet. 

Gemäß § 2c Abs. 1 BEEG werden Einkünfte, die lohnsteuerrechtlich sog. „sonstige Bezüge“ sind, nicht für die Berechnung des Elterngeldes zugrunde gelegt. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass Gleiches auch für monatliche Lohnzahlungen gilt, wenn diese dem Arbeitnehmer später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres zufließen.

LAG Nürnberg: Kündigungsschutz, Abberufungsschutz und Probezeit des Datenschutzbeauftragten

Urteil des LAG Nürnberg vom 19.02.2020 – 2 Sa 274/19

Die nationalen Regelungen, wonach ein interner Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund gekündigt und nur aus wichtigem Grund von seinem Amt abberufen werden kann (§ 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 BDSG), sind mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO vereinbar.

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