AGG – Hopping: Rechtsmissbrauch oder gutes Recht?

Bei der Formulierung einer Stellenausschreibung ist seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) vor ca. 10 Jahren Vorsicht geboten:

Werden unmittelbar oder mittelbar diskriminierende Formulierungen verwendet drohen „AGG-Entschädigungsklagen“ abgelehnter Bewerber. Diese können auf Entschädigungen in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern der ausgeschriebenen Stelle hinauslaufen und damit für den Arbeitgeber, bspw. bei akademischen Berufen, eine niedrige fünfstellige Zahlungspflicht bedeuten.

Bei der Einführung des AGG wurde eine rechte „Klagewelle“ befürchtet, diese blieb weitestgehend aus und doch gibt es sie: „Professionelle Diskriminierungskläger“ oder neudeutsch „AGG-Hopper“.

Als solche werden Personen bezeichnet, welche sich regelmäßig gezielt auf Ausschreibungen mit benachteiligenden Indizien bewerben, ohne die ausgeschriebene Stelle ernstlich erhalten zu wollen, allein um im Anschluss der Stellenvergabe Klage zu erheben.

Rechtliche Würdigung

Grundsätzlich macht sich der Arbeitgeber nach § 15 AGG entschädigungspflichtig, wenn er gegen das Benachteiligungsverbot verstößt. Demnach sind solche Benachteiligungen verboten, welche aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgen. Darauf können sich auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis berufen. Für den Status als „Bewerber/-in“ reicht es nach der neusten Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil vom 19. 5. 2016 – 8 AZR 470/14) bereits aus, dass eine Person sich beworben hat. Nach diesem Urteil ist weder die objektive Eignung noch eine gewisse subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung von Nöten um den Bewerberstatus zu erreichen. Allerdings kann eine Benachteiligung eines objektiv völlig ungeeigneten Bewerbers auf Grund der beruflichen Anforderungen objektiv gerechtfertigt sein und damit eine Entschädigungspflicht ausschließen.

Besonders problematisch sind Formulierungen von Stellenausschreibungen, welche Benachteiligungen auf Grund des Alters enthalten, wie z.B. „nicht älter als …“, „für unser junges und dynamisches Team“, „Berufseinsteiger“, „von 0-2 Jahre Berufserfahrung“ oder „langjährige Berufserfahrung“. Enthält die Stellenausschreibung solche Formulierungen, ist eine Benachteiligung gemäß § 22 AGG indiziert, sie wird also vermutet. Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit zu beweisen, dass ausschließlich andere Gründe zu einer Absage geführt haben.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit vorzutragen, dass der Entschädigungskläger sich rechtsmissbräuchlich auf das AGG beruft, wenn er sich einzig und allein auf eine ausgeschriebene Stelle bewirbt um eine Entschädigungsklage anzustreben. Die Messlatte für den Beweis eines solchen Rechtsmissbrauchs liegt allerdings hoch: Es müssen sowohl objektive als auch subjektive Tatbestandsmerkmale erfüllt sein. In objektiver Hinsicht muss sich im Rahmen der Gesamtwürdigung der Umstände ergeben, dass trotz der eingereichten Bewerbung kein Zugang zu der offerierten Beschäftigung gesucht wurde. In subjektiver Hinsicht muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte die Absicht des Bewerbers ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen. Darauf kann sich der Arbeitgeber bereits dann nicht berufen, könnte das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben als lediglich die Erlangung eines Vorteils.

Praxistipp

Mit der neuen Rechtsprechung des BAG trifft den Arbeitgeber eine nahezu erdrückende Beweislast, welche besonders im Hinblick auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs wohl kaum zu erfüllen sein wird. Aus diesem Grund sollte gerade bei der Formulierung einer Stellenausschreibung auf Indizien einer Benachteiligung auf Grund des Alters geachtet werden und diese sollten unbedingt vermieden werden, um Entschädigungsklagen abgewiesener Bewerber zu vermeiden.

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