Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung: der neue Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze nach dem Kabinettsbeschluss vom 1. Juni 2016

Nachdem das Bundesarbeitsministerium für seinen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 16. November 2015 massiv kritisiert wurde (siehe hierzu auch unseren Beitrag vom 19. November 2015), stellte es am 17. Februar 2016 einen neuen Referentenentwurf vor. Auch dieser Entwurf wurde vielfach kritisiert und konnte wegen der ablehnenden Haltung der CSU nicht ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Am 10. Mai 2016 verständigte sich der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD auf weitere Änderungen des Entwurfs, der schließlich am 1. Juni 2016 vom Bundeskabinett beschlossen wurde.

Wesentliche Änderung des neuen Entwurfes in der aktuellen Form ist die vollständige Streichung des zuvor vorgesehenen § 611a Abs. 2, 3 BGB-RefE a.F. mit der bedenklichen Abgrenzung zwischen Arbeits- und Dienst/Werkverträgen. Zu den Änderungen im Einzelnen:

Streichung des § 611 a Abs. 2, 3 BGB-RefE a.F.

Der zuvor vorgesehene Kriterienkatalog des § 611a Abs. 2 BGB-RefE a.F. für die Abgrenzung von Arbeits- und Dienst/Werkverträgen hätte viele Unternehmen grundlos dem Verdacht eines Missbrauchs von Werkverträgen ausgesetzt. Die Kriterien waren nicht geeignet, die Abgrenzung der verschiedenen Arbeitsformen zu ermöglichen. Die Abkehr von § 611 a Abs. 2 BGB-RefE a.F. ist zu begrüßen. Dasselbe gilt für die Streichung der Vermutungsregelung in § 611a Abs. 3 BGB-RefE a.F. Danach sollte ein Arbeitsverhältnis immer dann vorliegen, wenn die Deutsche Rentenversicherung das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt hat.

Ersetzt wurde § 611 a Abs. 1 BGB-RefE a.F. durch eine der Rechtsprechung nachgebildete Definition des Arbeitnehmers in § 611 a BGB RefE n.F..

Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung: 18 Monate für nichttarifgebundene Unternehmen ohne Arbeitnehmervertretung; verkürzte Karenzzeit von 3 Monaten

Genau wie im alten Entwurf soll die Höchstdauer des Einsatzes von Leiharbeitnehmern im Grundsatz gem. § 1 Abs. 1b AÜG n.F. auf 18 aufeinander folgende Monate mit demselben Entleiher beschränkt werden. Berücksichtigt werden nur die Überlassungszeiten, zwischen denen nicht wenigstens eine Karenzzeit von 3 Monaten (vorher 6 Monate) liegt. Die Höchstdauer ist arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen zu bewerten.

Das heißt, der einzelne Arbeitnehmer darf einem bestimmten Entleiher für maximal 18 Monate überlassen werden, kann danach aber nicht mehr – auch nicht für andere Aufgaben und auch nicht durch einen anderen Verleiher – an denselben Entleiher überlassen werden, wenn nicht eine Karenzzeit von 3 Monaten dazwischen liegt. Umgekehrt ist die dauerhafte Abdeckung des Arbeitsbedarfs durch Arbeitnehmerüberlassung zulässig, solange nicht derselbe Arbeitnehmer mehr als 18 Monate eingesetzt wird.

Von der Überlassungshöchstdauer kann durch oder aufgrund eines Tarifvertrags der Einsatzbranche - des Entleihers – beliebig abgewichen werden. Auch nicht tarifgebundene Entleiher, dies ist neu, können in Anlehnung an einschlägige Tarifverträge eine abweichende Überlassungsdauer ohne Deckelung vereinbaren. Dies ist allerdings nur möglich wenn sie eine entsprechende Betriebs- oder Dienstvereinbarung abschließen und der Tarifvertrag, an den sich angelehnt wird, für den Geltungsbereich repräsentativ ist und für Betriebsvereinbarungen ausdrücklich eine abweichende Höchstgrenze festlegt. Wenn hingegen der Tarifvertrag für Betriebsvereinbarungen keine eigene Höchstüberlassungsdauer vorgibt, können nicht tarifgebundene Unternehmen eigene Regelungen längstens für die Dauer von 24 Monaten vornehmen. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag mit Öffnungsklausel ist nicht ausreichend, sodass nur der tarifgebundene Arbeitgeber oder der Arbeitgeber eines Betriebes, in dem eine Arbeitnehmervertretung besteht, von einer Verlängerung der Überlassungshöchstdauer profitieren kann.

Wird die Überlassungshöchstdauer überschritten, soll ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher zustande kommen, außer der Leiharbeitnehmer widerspricht.

Die geplanten Änderungen bzgl. der Höchstdauer sind kritisch zu bewerten. Der neue Referentenentwurf sieht immerhin vor, dass tarifungebundene Entleiher durch Abschluss einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung doch abweichende tarifvertragliche Regelungen zur Höchstüberlassungsdauer übernehmen können. Dennoch werden tarifungebundene Entleiher ohne Arbeitnehmervertretung, durch die fehlende Möglichkeit einer Abweichung von der 18 monatigen Höchstdauer benachteiligt. Dies begegnet in Hinblick auf die negative Koalitionsfreiheit verfassungsrechtlichen Bedenken, weil diese Arbeitgeber zum Abschluss von Tarifverträgen gedrängt werden. Besonders kleine Arbeitgeber sind hiervon betroffen.

Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz: 15 statt 12 Monate bei Branchenzuschlagstarifverträgen

Eine zeitliche Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz ist gem. § 8 AÜG n.F. grundsätzlich nur durch Tarifvertrag für längstens neun Monate, in bestimmten Sonderfällen bis 15 Monate zulässig (anstatt 12 Monate im ersten Referentenentwurf). Ein solcher Sonderfall liegt vor, wenn die Tarifvertragsparteien in den Branchentarifverträgen ein Arbeitsentgelt festgelegt haben, das als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche gilt und ab der sechsten Arbeitswoche eine stufenweise Heranführung an dieses gleichwertige tarifvertragliche Arbeitsentgelt erfolgt, wobei das volle gleichwertige Arbeitsentgelt bis Ablauf des 15. Überlassungsmonats erreicht werden muss.

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern für mitbestimmungsrechtliche Schwellenwerte: erst wenn die Gesamtdauer der Entleihung 6 Monate übersteigt

Die Einbeziehung von Leiharbeitnehmer bei der Errechnung der Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung gilt in Zukunft erst dann, sobald die Gesamtdauer der Arbeitnehmerüberlassung mehr als 6 Monate andauert.

Streikbruch: gesetzliche Klarstellung

Unverändert bestehen bleibt das umstrittene Verbot, Leiharbeitnehmer während Streiks einzusetzen, vgl. § 11 Abs. 5 AÜG n.F. Allerdings mit der gesetzlichen Klarstellung, dass dies nicht gilt, wenn sichergestellt ist, dass die entsprechenden Leiharbeitnehmer nicht Aufgaben wahrnehmen, die bisher von Streikenden verrichtet wurden. Zu den Inhalten des Referentenentwurfs vom 17.02.2016, die so auch bereits im ersten Referentenentwurf vom 16.11.2015 enthalten waren, verweisen wir auf unseren Beitrag vom 19. November 2015 (dort zu den Punkten: Vorratserlaubnis zur Überlassung von Arbeitnehmern ohne Nutzen; Informationspflichten gegenüber Leiharbeitnehmern, Werkvertrag – Rechte der Betriebsräte).

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