Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes

BAG, 22.03.2016 Az.: 1 ABR 14/14

Der Betriebsrat wird nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei Themen des Unfallschutzes und der Unfallfürsorge zu Teil. In der Praxis kommt es jedoch, gerade im Zusammenhang mit Einigungsstellensprüchen, immer wieder zum Streit, wie weit dieses Mitbestimmungsrecht tatsächlich reicht. Grund dafür scheint zum einen, dass die Vorschrift, soweit einschlägig, dem Betriebsrat umfassende Möglichkeiten zur Teilhabe eröffnet; zum anderen, dass die Rechtsprechung hierzu ständig in Bewegung ist.

Ziel der Vorschrift ist es, durch die Beteiligung des Betriebsrates an den die Arbeitnehmer betreffenden Maßnahmen zum Schutze ihrer Gesundheit eine möglichst hohe Effizienz zu erreichen. Allerdings greift das Mitbestimmungsrecht erst ein, wenn der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine betriebliche Regelung zum Gesundheitsschutz zu treffen hat und ihm bei deren Ausgestaltung Freiräume verbleiben. Dabei obliegt es dem Arbeitgeber, geeignete Schutzvorkehrungen zu schaffen und organisatorisch zu gewährleisten, so dass die erforderlichen Maßnahmen auch personell umgesetzt werden. Allerdings sind die genauen Grenzen des Anwendungsbereichs des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in vielerlei Hinsicht noch ungeklärt. Das BAG hat mit seinem Urteil vom 22.03.2016 nun eine weitere Grenze gesteckt.

In dem dem Bundesarbeitsgericht vorgelegten Fall streiten die Betriebsparteien über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruches. Zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist in diesem die Bildung eines Integrationsteams vorgesehen, welches zur Aufgabe hat, das betriebliche Eingliederungsmanagement mit dem betroffenen Arbeitnehmer durchzuführen, konkrete Maßnahmen zu beraten und dem Arbeitgeber vorzuschlagen sowie den nachfolgenden Prozess zu begleiten. Der Arbeitgeber will mit dem Verfahren die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festgestellt wissen.

Das Gericht befand, die Einigungsstelle habe im vorliegenden Fall ihre Zuständigkeit überschritten. Ihr Spruch habe sich nicht auf die Ausgestaltung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements beschränkt sondern die Beteiligung des Integrationsteams an der allein dem Arbeitgeber obliegenden Umsetzung der Maßnahmen vorgesehen.

Damit hat das Bundesarbeitsgericht aufgezeigt, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nur die Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen zur Klärung der Möglichkeiten, wie Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann, umfasst. Es ist demnach eine Trennung vorzunehmen zwischen der geplanten Ausgestaltung und der tatsächlichen Umsetzung von Maßnahmen. Letzteres obliegt allein dem Arbeitgeber und bleibt zur weiteren Ausgestaltung freiwilligen Betriebsvereinbarungen vorbehalten.

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