Eigener Selbstverleih im Wege der Arbeitnehmerüberlassung unwirksam

Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 1. Dezember 2015 – 1 Sa 439 b/14

Ein freier Mitarbeiter, der ein Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen gründet und als Geschäftsführer desselbigen fungiert, kann sich in dieser Position nicht wirksam selbst verleihen. Das AÜG findet auf den Geschäftsführer einer Verleihfirma keine Anwendung. Daher kann sich ein solcher „Leiharbeitnehmer“ auf die Unwirksamkeit der eigenen „Ausleihe" berufen und eine entsprechende Beschäftigung als fest angestellter Arbeitnehmer im Einsatzunternehmen verlangen.

Sachverhalt

Der Kläger war lange Zeit als freiberuflicher Kameramann für die Beklagte tätig. Diese ist eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts. Eine interne Vorgabe bei der Beklagten regelt, dass freie Mitarbeiter an lediglich maximal 60 Tagen im Jahr eingesetzt werden dürfen. Der Produktionsleiter wies den Kläger darauf hin, dass eine umfangreichere Beschäftigung möglich sei. Dafür müsse der Kläger über ein Verleihunternehmen mit einer Erlaubnis nach § 1 AÜG ausgeliehen werden.
Der Kläger gründete noch im selben Jahr eine Arbeitnehmerüberlassungsfirma in der Rechtsform einer GmbH und wurde deren Geschäftsführer. In den Folgejahren verlieh er sich selbst und zwei bis drei weitere Mitarbeiter an die Beklagte. Die Arbeit des Klägers bestand ganz überwiegend aus Dreharbeiten für zwei tägliche regionale Nachrichtenformate des Senders.

Anfang 2014 kam es dann zu Streitigkeiten zwischen den Parteien: Der Kläger berief sich auf die Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung und war der Ansicht, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten bestehe. Das Arbeitsgericht Kiel wies die Klage auf Feststellung des Arbeitnehmerstatus ab, das LAG Schleswig-Holstein gab der Berufung des Klägers jedoch statt.

Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein

Das LAG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis entstanden ist. Unter Anwendung der allgemeinen Abgrenzungskriterien kommt das LAG Schleswig-Holstein zum Ergebnis, dass der Kläger als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt sei. Der Umfang der Einsätze, die Art der geschuldeten Arbeit, die wenig Raum für eigene – programmgestaltende – Tätigkeit und Entfaltungsfreiheit lasse sowie der Einsatz im Rahmen einer Daueraufgabe sprächen dafür, dass der Kläger als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig war.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger offiziell über (s)eine Drittfirma verliehen wurde. Das AÜG findet auf den Geschäftsführer einer Verleihfirma, also hier den Kläger, keine Anwendung. Das AÜG setze nämlich voraus, dass die zur Arbeitsleistung überlassene Person Arbeitnehmer des Verleihunternehmens ist. Der Kläger war aber nicht Arbeitnehmer des Verleihunternehmens, sondern vielmehr deren Geschäftsführer. Dieser Umstand schließe einen Verleih des Klägers als Arbeitnehmer des Verleihunternehmens aus.

Der Kläger kann sich im Verfahren auch auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Ausleihe berufen, insofern handelte er nach Auffassung des Gerichts auch nicht treuwidrig. Mit der Konstruktion über die Verleihfirma wollte er lediglich durch vermehrte Einsätze bei der Beklagten seinen Lebensunterhalt bestreiten. Den maßgeblichen Mitarbeitern der Beklagten war sein Geschäftsführerstatus zudem bekannt. Die Vertragsgestaltung sei darauf ausgelegt gewesen, die Schutzvorschriften des Arbeitsrechts zum Nachteil des Klägers zu umgehen.

Fazit

Abermals wurde einer Gestaltung im Zusammenhang mit der Problematik rund um Scheinwerkverträge von einem Arbeitsgericht eine Absage erteilt. Die Stellung als Geschäftsführer schließt jedenfalls seine eigene Überlassung aus. Kommt dann noch hinzu, dass der „ausgeliehene“ Geschäftsführer im Einsatzunternehmen wie ein Arbeitnehmer eingegliedert wird, ist er als Arbeitnehmer im Einsatzunternehmen tätig und kann sich erfolgreich einklagen. Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Das LAG Schleswig-Holstein hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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