Kein Zugangsrecht für alle Mitglieder des Gesamtbetriebsrates zu den Betriebsräumen in allen Betriebsstätten

„Wir müssen leider draußen bleiben“ heißt es auch in Zukunft für alle Gesamtbetriebsratsmitglieder, wenn sie Betriebsräume aufsuchen wollen, die nicht zu ihrer eigenen Betriebsstätte gehören (ArbG Dortmund, Beschluss vom 07.09.2016, AZ: 1 BV 38/16).

  

Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten. Zudem kann der Betriebsrat jederzeit solche Unterlagen verlangen, die er zur Durchführung seiner Aufgaben benötigt, § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG (Informationsrecht). § 80 Abs. 1 BetrVG benennt abschließend die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats, wobei insbesondere § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG im Rahmen dieses Aufsatzes Erwähnung finden soll, wonach der Betriebsrat ein Überwachungsrecht dahingehend innehat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden.

Im Rahmen dieses Informationsrechts des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber besteht nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG ein Zugangsrecht des Betriebsrats zu den Arbeitsplätzen der Beschäftigten (BAG, Beschluss vom 13.06.1989, AZ: 1 ABR 4/88; BAG, Beschluss vom 15.10.2014, AZ: 7 ABR 74/12). Der Betriebsrat hat zur Erfüllung der Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein eigenes, von der Zustimmung des Arbeitgebers unabhängiges Zugangsrecht zum Arbeitsplatz der Belegschaftsangehörigen (NZA 1994, 378, Beck-online). Dieses Recht besteht jedoch nur gegenüber dem Arbeitgeber des Betriebes, in dem der Betriebsrat gewählt ist, d.h. für den Betrieb, für den der Betriebsrat gebildet wurde, nicht jedoch gegenüber Dritten (BAG, Beschluss vom 15.10.2014, AZ: 7 ABR 74/12; ErfK/Kania BetrVG § 80 Rn. 17-23, Beck-online)

Nun hat das Arbeitsgericht Dortmund zutreffend entschieden, dass das Zugangsrecht sich nicht auf alle Mitglieder des Gesamtbetriebsrates erstreckt (ArbG Dortmund, Beschluss vom 07.09.2016, AZ: 1 BV 38/16). Eine zugunsten des Gesamtbetriebsrats eingreifende Regelung kennt das BetrVG nicht.

Dies lässt sich nicht nur mit dem Wortlaut des § 80 BetrVG begründen, der ausdrücklich von dem Betriebsrat spricht und gerade nicht von dem Gesamtbetriebsrats. Das Gesetz unterscheidet deutlich zwischen dem Betriebsrat und dem Gesamtbetriebsrat und es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, den Anwendungsbereich entgegen dem Wortlaut zu erweitern.

Das Arbeitsgericht Dortmund stützt sich insbesondere auf eine fehlende ausdrückliche Rechtsgrundlage. Die dem örtlichen Betriebsrat zugrundeliegende Rechtsgrundlage (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) kann nicht herangezogen werden, da der Gesamtbetriebsrat „nicht Träger des in Betracht kommenden Überwachungsrechts aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG“ ist. Für dessen Wahrnehmung ist allein der Betriebsrat zuständig (BAG, Beschluss vom 16.08.2011, AZ: 1 ABR 22/10). Die Aufgaben bzw. Zuständigkeiten des Gesamtbetriebsrats regelt § 50 Abs. 1 BetrVG. Danach beschränkt sich die Zuständigkeit auf die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

Die Anwendung des § 80 BetrVG ist lediglich davon abhängig, ob ein Katalogtatbestand des § 80 Abs. 1 BetrVG vorliegt. An der originären Aufgabenzuweisung ändert sich auch dann nichts, wenn der Gesamtbetriebsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit eine Betriebsvereinbarung abschließt (BAG Beschluss vom 20.12.1988, AZ: 1 ABR 63/87; ArbG Dortmund, Beschluss vom 07.09.2016, AZ: 1 BV 38/16). Denn auch in diesem Fall bleibt der Betriebsrat für die Überwachung der Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung zuständig.

Ein Zugangsrecht für alle Mitglieder des Gesamtbetriebsrats eröffnet sich auch dann nicht, wenn der Gesamtbetriebsrat vorträgt, dieses zur Überwachung der Einhaltung der Gesamtbetriebsvereinbarungen ausüben zu wollen. Gem. § 51 Abs. 5 BetrVG gelten die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats für den Gesamtbetriebsrat entsprechend, soweit dieses Gesetz keine besonderen Vorschriften enthält. § 51 BetrVG beschränkt sich jedoch ausdrücklich auf die Regelungen, die die Geschäftsführung betreffen und regelt nicht etwa Zuständigkeiten.

Unabhängig davon gilt, dass die einzelnen Betriebsräte gem. § 50 Abs. 2 BetrVG die Möglichkeit haben, die Überwachung der Durchführung der Betriebsvereinbarungen bzw. der Gesamtbetriebsvereinbarungen, welche in die originäre Zuständigkeit des Betriebsrats fallen, für sie jeweils zu regeln (ArbG Dortmund, Beschluss vom 07.09.2016, AZ: 1 BV 38/16).

Selbst im Falle einer bisher betriebsratslosen Betriebsstätte stehen den Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats keine Überwachungspflichten und – rechte zu, denn diese lassen sich nur aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG herleiten und gelten – wie bereits dargelegt – nur für den Betriebsrat (ArbG Dortmund, Beschluss vom 07.09.2016, AZ: 1 BV 38/16). Insofern bleibt es der betriebsratslosen Betriebsstätte unbenommen, einen Betriebsrat selbst zu wählen (ArbG Dortmund, Beschluss vom 07.09.2016, AZ: 1 BV 38/16).

Im Ergebnis hält das Arbeitsgericht Dortmund es in zutreffender Weise für ausreichend, wenn dem Gesamtbetriebsrat der indirekte Zugang zu den einzelnen Betriebsstätten dadurch gewährt wird, dass die örtlichen Betriebsratsmitglieder, die gem. § 47 Abs. 2 BetrVG in den Gesamtbetriebsrat entsandt wurden, das o.g. anerkannte Zugangsrecht ausüben können. Es existiert gem. § 50 Abs. 1 S. 2 BetrVG gerade kein Über-/ Unterordnungsverhältnis, welches etwa eine übergeordnete Überwachungsfunktion begründen könnte.

Dies lässt selbstverständlich die Möglichkeit der Gesamtbetriebsratsmitglieder unberührt, die Betriebsstätten des Unternehmens als normale Besucher aufzusuchen.


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