Grundsätzliches zum Zugang von Kündigungen

In Deutschland werden vor den Arbeitsgerichten pro Jahr mehr als 200.000 Kündigungsschutzklagen erhoben. Damit werden insgesamt rund 20 % der arbeitgeberseitig ausgesprochenen Kündigungen angefochten. Ein zentraler Streitpunkt ist dabei oftmals die ordnungsgemäße und v.a. fristgerechte Zustellung des Kündigungsschreibens und in der Folge die Einhaltung der materiellen Ausschlussfrist der §§ 4, 7 KSchG. Grundsätzlich gilt: Wird eine Kündigungsschutzklage nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben, so gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam.

Ausgangspunkt

Zugegangen ist die Kündigungserklärung dann, wenn sie dergestalt in den Machtbereich bzw. die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt, dass für ihn die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht und mit  dieser unter normalen Umständen gerechnet werden kann.

Für den Arbeitgeber versteckt sich hinter diesem - eher theoretischen - Grundsatz, ein großes praktisches Problem, denn die Kündigung muss in der Praxis auch nachweisbar zugegangen sein.

Wie dies am besten zu erreichen ist, welche gängigen Möglichkeiten - nebst Vor- und Nachteilen - es hierfür gibt, soll im Folgenden dargestellt werden.

Variante 1: Persönliche Übergabe

Die Vorteile der persönlichen Übergabe liegen auf der Hand: Die Kündigung gilt als sofort zugestellt. Damit ist diese Option insbesondere in zeitkritischen Fällen, bei denen es um die Einhaltung einer Frist geht, zu empfehlen. Genauso liegt der Nachteil auf der Hand: Zum einen ist die Kündigungsübergabe eine unangenehme Aufgabe für jeden Personalverantwortlichen. Die Reaktion des Arbeitnehmers ist nicht immer einzuschätzen und  gleichzeitig ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses für den betroffenen Arbeitnehmer oft mit dem - zumindest vorübergehenden  - Verlust der Existenzgrundlage verbunden. Ferner kommt eine persönliche Übergabe bei etwaiger Abwesenheit des Arbeitnehmers (z.B. Krankheit, Urlaub, etc.) offensichtlich nicht in Betracht.

Praxishinweis

Sofern der Arbeitgeber sich für eine persönliche Übergabe der Kündigungserklärung entscheidet, gilt es ein paar Dinge zu beachten:

  • Soweit möglich, sollte sich der Kündigende den Erhalt der Kündigung schriftlich bestätigen lassen.
  • Die Hinzuziehung eines (unbeteiligten) Zeugen, der die Übergabe nebst etwaigen Details notfalls vor dem Arbeitsgericht bestätigen kann, ist ebenfalls ratsam. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass z.B. ein Geschäftsführer nicht Zeuge sein kann, da dieser den Arbeitgeber vor Gericht vertritt und damit Partei eines etwaigen Rechtsstreits wäre.
  • Wenn der Arbeitnehmer, was  durchaus vorkommt, die Kündigung nicht annimmt, sie zerreißt oder wegwirft, ist rechtlich von einer sogenannten Zugangsvereitelung auszugehen, d.h. die Kündigung gilt - Nachweisbarkeit vorausgesetzt - dennoch als zugegangen. Wichtig ist hier wieder das Vorhandensein von Zeugen bei dem Übergabegeschehen.
  • Variante 2: Postalisches Einschrieben

    Bei dieser Form der Kündigungszustellung existieren in der Praxis zwei Alternativen: das sog. Einwurf-Einschreiben (dokumentierter Einwurf des Einschreibens durch den Briefträger in den Postkasten des Empfängers) und das Einschreiben mit Rückschein (persönliche Übergabe des Briefes von dem Postboten an den Arbeitnehmer, welcher den Rückschein unterschreibt). Von beiden Alternativen ist, jedenfalls in „heiklen“ Fällen abzuraten. Sofern mit Widerstand des Arbeitnehmers gegen die Kündigung zu rechnen ist, oder Fristen gewahrt werden müssen, empfiehlt sich diese Form aus folgenden Gründen nicht:

    Im Fall des Einschreibens mit Rückschein gilt das Dokument erst als zugegangen, wenn der Arbeitnehmer es tatsächlich entgegen genommen hat. Dies bedeutet, dass es im Falle der Abwesenheit des Arbeitnehmers nicht zugestellt werden kann. Trifft der Postbote den Arbeitnehmer nicht an, hinterlässt er üblicherweise lediglich einen Abholschein im Briefkasten. Die Kündigung selbst geht in solchen Fällen erst dann zu, wenn der Arbeitnehmer diese in der Filiale auch abholt (Sendungen werden grds. sieben Werktage vor Ort aufbewahrt). Eine generelle Verpflichtung des Arbeitnehmers, für ihn hinterlegte Postsendungen überhaupt abzuholen, besteht (von arglistigem Handeln einmal abgesehen) ebenfalls  nicht. 

    Allerdings ist auch der Fall des Einwurf-Einschreibens für Kündigungen nur bedingt geeignet: Der Auslieferungsbeleg selbst beweist vor Gericht, wenn überhaupt, bestenfalls nur die Tatsache, dass ein Brief in einen Briefkasten eingeworfen wurde. Bei Einwurf-Einschreiben ist selbst innerhalb der Rechtsprechung noch umstritten, welche Beweisqualität den dabei gefertigten Einlieferungs- und Auslieferungsbelegen zukommt. Ein voller Beweis des Zugangs der Kündigung wird durch sie jedenfalls nicht begründet.

    Das Hauptproblem bei allen Einschreibesendungen, genauso im Übrigen  bei normaler Briefpost, ist jedoch, dass hierdurch nie ein Beweis zum Inhalt des jeweiligen Briefes geführt werden kann. So behaupten Arbeitnehmer nicht selten, sie hätten schlicht keinen Brief erhalten - oder, um es auf die Spitze zu treiben, der Briefumschlag wäre leer gewesen. So abwegig dies zunächst klingt, so schwer ist es, den Gegenbeweis zu führen und der Arbeitgeber ist - wieder einmal - auf das Ermessen des zuständigen Richters angewiesen, inwieweit dieser den Vortrag des Arbeitnehmers für glaubhaft hält oder nicht.   

    Variante 3: Einwurf durch Boten oder persönlich

    Empfehlenswerter - jedenfalls für Fälle, die erwartungsgemäß vor Gericht landen werden - ist es einen Erklärungsboten einzuschalten. Dies kann ein kommerzieller Botendienst, aber genauso ein/e Assistent/in oder eine sonstige vertrauenswürdige Person sein, die ggf. vor Gericht als Zeuge aussagen kann. Ebenso gut kann die Kündigung auch persönlich in den Briefkasten eingeworfen werden und die vertrauenswürdige Person fungiert hierbei wiederum lediglich als Zeuge. Zu beachten ist auch hier, dass der Geschäftsführer nicht als Zeuge aussagen kann, da er vor Gericht selbst Partei wäre. Außerdem sind die üblichen Postwurfzeiten zu beachten, d.h. dass ein abends eingeworfener Brief üblicherweise erst am nächsten Tag als zugegangen gilt. 

    Praxishinweis

    Der Bote bzw. die dritte Person sollte bereits anwesend sein, wenn die unterschriebene Kündigung in den Briefumschlag gesteckt und dieser daraufhin verschlossen wird. Entscheidender Vorteil dieser Variante ist sodann, dass hier mittels Zeugenbeweis ausdrücklich auch der Beweis zum Inhalt des Kündigungsschreibens geführt werden kann.

    Ferner sollte der die Kündigung einwerfende Bote die Zustellung in einem Bestätigungsvermerk schriftlich dokumentieren. Dieser Zustellvermerk enthält idealerweise neben dem genauen Zeitpunkt der Kündigungszustellung auch die weiteren o.g. Details: Im Idealfall bestätigt der Bote mittels Vermerk folglich auch, dass ihm die Kündigung in unterschriebener Form zur Einsicht vorgelegt und sodann in den Briefumschlag eingelegt wurde (welchen er wiederum daraufhin in den entsprechenden Briefkasten eingeworfen oder dem Arbeitnehmer übergeben hatte).

    Fazit

    Im Kündigungsschutzverfahren ist der rechtzeitige Zugang der Kündigung einer der Punkte, die vom Arbeitnehmer häufig und nicht selten erfolgreich angegriffen werden. Die Folgen sind für den betroffenen Arbeitgeber nicht nur ärgerlich, sondern auch kostspielig, da sich bei späteren, erst im weiteren Verfahren erklärten, Kündigungen u.a. die Kündigungsfrist und mithin auch die Entgeltzahlungspflicht verlängert.

    Wie aufgezeigt ist bei der Zustellung von Kündigungen also ein besonderes Augenmerk auf die Nachweisbarkeit jedes rechtlich erheblichen Details zu achten, sodass im Rahmen der vermeintlich klaren Formalien keine vermeidbaren Fehler passieren.

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