Außerordentlich fristlose Kündigung wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot auch bei einem prozentual nur kleinen Geschäftszweig des Arbeitgebers

Urteil des LAG Niedersachsen vom 17. November 2015 – 11 Sa 389/15

Eine außerordentlich fristlose Kündigung wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot aus § 60 HGB ist auch dann gerechtfertigt, wenn der Geschäftszweig nur einen Anteil von unter 1 % des Gesamtumsatzes der Arbeitgeberin ausmacht, dieser jedoch einen Umsatz von etwa 1 Million Euro generiert.

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein Maschinenhersteller und nach eigener Darstellung bei Maschinen für Straßenbau mit einem Anteil von rund 70% Weltmarktführer. Zum Betätigungsfeld der Beklagten gehört auch der Handel mit gebrauchten Baumaschinen. Im Zeitraum von 2006 bis 2014 erzielte sie mit dem Handel von Gebrauchtmaschinen jeweils einen durchschnittlichen Jahresumsatz von etwa 1 Million Euro. Allerdings lag dieser Umsatz bei unter 1% des Gesamtumsatzes der Beklagten.

Der Kläger war bei der Beklagten in herausgehobener Position beschäftigt und erhielt eine Bruttomonatsvergütung von mehr als 7.000 Euro. In seinem Arbeitsvertrag war geregelt, dass Nebentätigkeiten der Beklagten anzuzeigen sind.

Im November 2013 gründete der Kläger mit anderen Gesellschaftern die A-GmbH, bei der er alleiniger Geschäftsführer wurde. Die A-GmbH handelte im Jahr 2014 mit insgesamt 7 gebrauchten Baumaschinen (An- und Verkauf). Die Tätigkeit als Geschäftsführer der A-GmbH zeigte der Kläger der Beklagten nicht an.

Mit Schreiben vom 17.07.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos wegen Wettbewerbsverstoßes. Gegen die Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Das Arbeitsgericht Oldenburg hat die Klage mit Urteil vom 25.05.2015 abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingelegt. Er führte u.a. an, dass der Handel mit Gebrauchtmaschinen nicht geeignet gewesen sei, der Beklagten wettbewerbsmäßig zu schaden und sie dadurch zu gefährden. Zudem habe er keine Kenntnis von den Geschäften der Beklagten in Bezug auf die Gebrauchtmaschinen gehabt.

Die Entscheidung

Nach Auffassung des LAG Niedersachsen war die außerordentlich fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirksam. Der Kläger habe gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot aus § 60 HGB verstoßen. Hiernach darf ein Handlungsgehilfe (Arbeitnehmer) ohne Einwilligung des Prinzipals (Arbeitgeber) weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die A-GmbH im Jahr 2014 aktiv am Markt durch den Verkauf mehrerer gebrauchter Maschinen aufgetreten und in Wettbewerb zur Beklagten getreten sei. Die geschäftlichen Aktivitäten der A-GmbH müssten dem Kläger in der Stellung als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft rechtlich zugerechnet werden.

Zwar folge aus dem Grundsatz der Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG in verfassungskonformer Auslegung, dass nicht jedes Handelsgewerbe im Sinne des § 60 HGB untersagt sei, sondern nur Handelsgewerbe im Handelszweig des Arbeitgebers (vgl. BAG vom 07.09.1972 - 2 AZR 486/71). In diesem Kontext hielt es das LAG Niedersachsen jedoch für ausreichend, dass sowohl die A-GmbH als auch die Beklagte mit gebrauchten Baumaschinen handelte.

Auch sieht das Gericht das weitere vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung erforderliche materielle Kriterium erfüllt, wonach das vom Angestellten ausgeübte Handelsgewerbe für den Arbeitgeber wettbewerbsmäßig eine Gefahr bedeuten müsse (etwa BAG vom 25.05.1970 – 3 AZR 384/69). Es sei in diesem Zusammenhang irrelevant, dass die Veräußerung der Gebrauchtmaschinen nur etwa 1 % des Gesamtumsatzes der Beklagten ausmache. Vielmehr müsse auf den Umsatz von 1 Million Euro als absolute Kennzahl abgestellt werden. Bei einem angenommen Umsatzvolumen in Millionenhöhe könne nämlich nicht negiert werden, dass es sich aus Sicht der Beklagten auch beim Gebrauchtmaschinenhandel um einen schützenswerten Teil ihres Geschäftes handele, der potenziell gefährdet sei.

Dass der Kläger keine Kenntnis von den Geschäften der Beklagten mit Gebrauchtmaschinen gehabt habe, hielt das Gericht für unschädlich. Das Verbot des § 60 HGB verlange keinen Vorsatz des Arbeitnehmers. Ein rechtliches Vertretenmüssen seitens des Klägers liege zumindest darin, dass der Kläger entgegen seiner Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag zu keinem Zeitpunkt seine eigene gewerbliche Tätigkeit offengelegt und insoweit seinen Anzeigeverpflichtungen gegenüber der Beklagten nachgekommen sei. 

Die letztendlich bei jeder fristlosen Kündigung vorzunehmende umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen ging zu Lasten des Klägers aus. U.a. argumentiert das Gericht, dass die Beklagte bei einer Vergütung von mehr als 7.000 Euro brutto im Monat uneingeschränkte Loyalität erwarten dürfe. Angesichts der beruflichen Stellung des Klägers wäre die Beklagte zudem beim Einhalten einer Kündigungsfrist bis zum Jahresende erheblichen weiteren Risiken ausgesetzt gewesen. Für den Kläger wäre es nach Auffassung des LAG Niedersachsen nämlich ein Einfaches, aus der Tätigkeit für die Beklagte auch weiter eigenwirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, etwa in Form von Geschäftskontakten.

Fazit und Praxishinweise

Das Urteil des LAG Niedersachsens ist dogmatisch zutreffend und aus Sicht von Arbeitgebern mit mehreren umsatzstarken Geschäftsfeldern zu begrüßen. Im Umkehrschluss greift die Rechtsprechung dagegen für kleinere Arbeitgeber eher nicht. Für sie ist es dann ratsam, im Arbeitsvertrag explizite Regelungen zum Wettbewerbsverbot aufzunehmen, um Geschäftsfelder zu schützen, die gerade nicht dem Hauptgeschäftszweig des Unternehmens im Sinne des § 60 HGB zuzuordnen sind und kein hohes Umsatzvolumen generieren. Mithilfe von vertraglichen Wettbewerbsverboten können die Pflichten aus dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot zudem noch konkretisiert oder dem Arbeitnehmer darüber hinausgehende Wettbewerbsbeschränkungen auferlegt werden. Allerdings müssen hierbei die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Insbesondere bei Teilzeitbeschäftigten sollte eine Erweiterung des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes nur restriktiv eingesetzt werden, da Teilzeitbeschäftigte unter Umständen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf die Ausübung einer weiteren Tätigkeit angewiesen sind. Anders ist dies bei leitenden Angestellten in Vollzeittätigkeit, bei denen regelmäßig das gesetzliche Wettbewerbsverbot erweitert werden darf.

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